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An die NSA

Last updated on 22. Dezember 2019

Während ich zu schreiben beginne, können Sie mir bereits über die Schulter blicken. Wäre es nicht so traurig und beängstigend, könnte man darüber fast zu lachen beginnen. Im wahrsten Sinn des Wortes also ein offener Brief.

Als Autor bin ich natürlich verdächtig, obwohl ich keine Bombenanschläge auf amerikanische Einrichtungen, keine Giftgasattentate oder Hackerangriffe auf bundesstaatliche Einrichtungen der USA plane. Haben ihre Keyword-Alarmanlagen bereits angeschlagen? Wenn ich spaßhalber „Bin laden“ sage, meine ich das Verbinden meines Smartphones mit der Steckdose, wenn ich über Schwedenbomben spekuliere, so handelt es sich dabei um den möglichen Einkauf eines Österreichischen Süßwarenprodukts. Ich nehme nicht an, dass der Sinn für Ironie bei Ihren Angestellten besonders ausgeprägt ist, die Verbindung von Bürokratie und geheimdienstlichen Aktivitäten lässt solche feinen Zwischentöne wahrscheinlich nicht zu.

Natürlich bin ich auch verdächtig, weil ich ein Nicht-Amerikaner bin, eine Eigenschaft, die ich mit ca. 95-96% der Weltbevölkerung teile, was den Unterschied zwischen Gut und Böse wohl enorm erleichtert. Sie wollen sich und ihre Bürger schützen, in einem Land, in dem jeder eine Waffe bei sich tragen darf, was für das Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen scheinbar noch nicht genügt. Ich verstehe schon, eine Weltmacht wird man nicht, indem man altruistisch agiert, Formel-1-Weltmeister wird auch nur ein richtiges Alpha-Männchen und kein Rennfahrer mit kameradschaftlichen Gefühlen.

Ich möchte kein Amerika-Bashing betreiben, ich schätze den zweimaligen Eintritt der USA in Kriege, die letztendlich mein Land von Feudalismus, Kaiser und A.H. befreiten. Ihr Land stand für Freiheit und Demokratie, trotz Ausrottung von Ureinwohnern und Büffelherden, auch wenn es schon mal hundert Jahre dauern konnte, bis nach Beendigung des Sezessionskriegs schwarze Menschen an bestimmten Universitäten studieren durften.

9/11 kostete 3.000 Tote, jeder einzelne zu viel, keine Frage, ein paar Flugzeuge, zwei Wolkenkratzer. Diverse andere Anschläge bewegten sich seitdem im Rahmen von bis zu hundert oder ein paar hundert Toten. Schreckliche Ereignisse für Familien, Freunde und Betroffene, durch nichts zu entschuldigen. Jedoch: Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, ca. 18.000 Kinder pro Tag. Jeden Tag verhungern ca. 57.000 Menschen. Laut UNICEF sterben jeden Tag 15.000 Kinder wegen schlechter hygienischer und medizinischer Versorgung.

Zugegeben, es sind wenige Amerikaner dabei, aber könnte man mit dem Geld, das ihr mit dem Scannen und Auswerten des Internets ausgebt, mit dem Ausspionieren von Mails, Datenvekehr und sozialen Netzwerken, nicht doch etwas Sinnvolleres tun?


Bildnachweis: Wikimedia, NSA Utah Data Center

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