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Um 1470

Hört mir gut zu. Wir sind bedroht. Ich spreche vom gedruckten Buch, welches seit wenigen Jahren mehr und mehr Verbreitung findet. Was es zu bekämpfen gilt. Ein Mann aus Mainz, genannt Gutenberg, erdreistet sich, den Buchstaben ihre Seele zu nehmen. Ein unerhörter Vorgang, der den Untergang unserer Kultur heraufbeschwört, wenn wir nicht rechtzeitig Widerstand gegen diesen gottesfernen Unsinn leisten.

Es ist wohl für jeden Menschen einsichtig, dass die von Generation zu Generation überlieferte Natur des Buches die einzig Natürliche und Erstrebenswerte ist. Seit wir davon wissen, wurden Aufzeichnungen mit der Hand verfasst, wie sonst. In meist jahrelanger Arbeit kopiert, den Wert eines solchen Werkes konnte jeder bereits aus der Entfernung ahnen. Erst recht, wenn man sich ihm mit der notwendigen Bescheidenheit und Ehrfurcht nähert. Das soll jetzt ein Ende haben. Nicht auszudenken, wohin das führen soll, ohne Sorgfalt und Kontrolle, ohne die Hilfe Gottes, welche unsere Mönche bei ihrer einsamen Arbeit anleitet.

Jetzt kann ein jeder kommen, an einem einzigen Tag ungefragt mehrere Kopien eines Buches erstellen, es zu ruchlosen Preisen unters Volk bringen, ohne dass die Seele Buchstabe für Buchstabe in das zu beschriftende Papier dringt, geführt von der Hand eines Kundigen, der mit höchster Sorgfalt  seine Zeichen setzt, Bilder dazu fügt, die Kirche und ihre Heiligen an seiner Seite.

Es ist Teufelswerk, dass dazu verleitet, den rechten Weg zu verlassen. Umso mehr ist es notwendig, dass wir aufmerksam bleiben in unserem täglichen Walten, um dieser modischen Torheit mit Ernst und öffentlicher Abscheu zu begegnen. Seid gewiss, dieser Frevel ist nur vorübergehend, in unseren Breiten wird er sich nie und nimmer dauerhaft durchsetzen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Anonyme Handschrift, verfasst um 1470

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