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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Last updated on 22. Dezember 2019

Die gewählte Perspektive kann dafür entscheidend sein, ob ein Roman gelingt oder nicht. So wie im eigenen Leben. Von dem Wahnsinn, der nicht nur Methode hat, sondern im Bürosessel sitzt, erzählt das Buch Ich arbeite in einem Irrenhaus, verfasst von Martin Wehrle, Ex-Manager und Business-Coach. In amüsanten Kurzbeschreibungen schildert er Szenen und Alltägliches, das heutzutage in großen und kleinen Firmen geschieht, unglaubliche Geschichten aus der absurden Firmenwelt, jenem Ort, an dem Charakterbilder und persönliche Landkarten unterschiedlichster Art aufeinander treffen.

Hinter den populär formulierten Nettigkeiten verstecken sich in vielen Kapiteln gut beobachtete Wahrheiten, die zeigen, dass der Autor die beschriebene Arbeitswelt aus der eigenen Praxis kennt. Zum Beispiel das Thema Personalauswahl, bei dem Firmen Personen suchen, die auf Positionen zugeschnitten werden, anstatt Mitarbeiter einzustellen, mit denen sie neue Wege einschlagen könnten. Oder das Action-Theater, bei dem Erfolg darin besteht, möglichst spektakulär Schaukämpfe auszutragen und mit größtmöglichem Lärm kleinstmögliche Ergebnisse vorzutäuschen.

Sachbücher dieser Art haben eine Schwierigkeit, nämlich ihren dramaturgischen Aufbau, der sich darin erschöpft, Themen und Anekdoten aneinanderzureihen, ohne mittels eines Handlungsfadens eine Art höherer Ordnung, die den Leser gefangen nimmt, herzustellen. Solche Bücher kann ich meist nur in kleineren Etappen lesen, da sie sonst trotz ihres Unterhaltungs- und Wahrheitswerts etwas ermüdend auf mich wirken.

Im letzten Drittel des Buches kann der Leser testen, wie weit er den Irrsinn im eigenen Arbeitsumfeld für fortgeschritten hält. Und wie sehr es von den eigenen Werthaltungen abhängt, ob das Arbeitsumfeld als herausfordernd oder als verrückt empfunden wird. Verstößt das Geschehen in ihrer Firma gegen ihre persönlichen Werte? Welche Schnittmenge gibt es mit der Wertemenge ihres Arbeitgebers? Die Antworten auf solche Fragen sind Indikatoren für persönlich zu treffende Entscheidungen, die einem niemand abnehmen kann. Zum Schluss gibt das Buch noch Tipps, wie man möglichst frühzeitig, bestenfalls vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags, erkennen kann, wie der zukünftige Arbeitgeber tickt. Wem das nicht gelingt, der kann ja immer noch Ich arbeite in einem Irrenhaus zum zweiten Mal lesen. Oder eines der Nachfolgebücher, die es von Martin Wehrle inzwischen gibt.

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