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Lesefutter

Wer kostenlose eBooks auf seinen eReader laden möchte, sollte wissen, wann die urheberrechtliche Schutzfrist endet. Nicht siebzig Jahre nach dem Todestag eines Schriftstellers, sondern 70 Jahre nach dem auf das Todesjahr folgenden 1. Jänner. Ein ganz schön langer Zeitraum, von dem vorwiegend der Buchhandel und der Verlag bzw. seine Rechtsnachfolger profitieren. Sofern sie sich um das Werk kümmern und für seine Verbreitung sorgen. Die Erben erhalten im Normalfall ungefähr zehn Prozent des Nettoladenpreises und haben keine Möglichkeit, Nutzungsrechte neu zu verhandeln oder dafür zu sorgen, dass das Werk von einem anderen Verlag besser betreut wird. So geraten die meisten Autoren garantiert in Vergessenheit.

Fairer wäre es, wenn die Inhaber des jeweiligen Urheberrechts nach einer bestimmten Zeitspanne die Vergabe der Nutzungsrechte neu regeln dürften, wenn also beispielsweise alle 25 Jahre der exklusive Nutzungszeitraum endete und im Rahmen des geltenden Urheberrechtszeitraums der Urheber oder seine Erben die Nutzungsrechte neu vergeben könnten. Wenn ein Dreißigjähriger, der achtzig Jahre alt wird, einem Verlag für sein Werk exklusive Nutzungsrechte für den Zeitraum des Urheberrechts einräumen muss, geschieht das also für 120 Jahre. Wer von uns hätte nicht gerne Verträge in der Schublade liegen, die unsere Großeltern abgeschlossen haben und uns laufend Einnahmen verschaffen? Solche Verträge könnte man mit Hausverstand durchaus als sittenwidrig bewerten. Wer sich diese Fakten veranschaulicht, versteht vielleicht eher, warum die Diskussion des Urheberrechts bei einigen Konzernen heftigsten Widerstand erzeugt, da sie damit bedroht sind, aus der Komfortzone vertrieben zu werden.

Wenn der Autor unseres Beispiels die Möglichkeit hätte, mit 55 Jahren, nachdem er bekannter und anerkannter wurde, die Nutzungsrechte seines Buches neu zu vergeben, würde er noch zu Lebzeiten mehr verdienen, da er wahrscheinlich bessere Konditionen erhielte als beim ersten Vertragsabschluss. Oder dafür sorgen könnte, dass sein Werk wieder im Verlagshandel angeboten würde und nicht nur über Antiquariat.

Eine maximal 25-jährige Nutzungsdauer erlaubte es Verlagen trotzdem, ihre Investitionen und Einnahmen-Ausgabenkalkulation langfristig vornehmen und betrachten zu können. Es ist schade, dass viele Autoren und Künstler noch nicht erkannt haben, dass einer der Schlüssel für eine verbesserte Einnahmensituation in der Begrenzung von Nutzungszeiträumen läge.

Ob der Urheberrechtszeitraum wirklich bis siebzig Jahre nach dem Tod eines Künstlers anhalten sollte, ist eine zweite und etwas andere Diskussion, denn eine Verkürzung auf
z. B. 30 oder 50 Jahre bis nach dem Tod eines Künstlers würde den Erben noch immer einen mehr als nennenswerten Zeitraum für Einnahmen verschaffen. Der Künstler selbst, der Urheber, um den es angeblich geht,  hat selbst nicht mehr davon, er ist in dem Zeitraum garantiert tot und die Verbreitung des Werks kann derzeit erst nach siebzig Jahren neu angesteuert werden, wenn es also bereits endgültig vergessen ist.

In dem Zusammenhang möchte ich noch daran erinnern, dass ein Buch aus dem Vorjahr in vielen Fällen bereits als veraltet gilt, kein Interesse mehr weckt, man selbst als literarischer Autor, wenn man nicht einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, mit einem so alten Werk kaum noch Lesungen oder Rezensionen erhält, womit diese Marktgepflogenheiten den Schutzaspekt des Urheberrechtszeitraums ziemlich relativieren.

Im folgenden möchte ich einige Lesevorschläge machen und auf interessante Werke hinweisen, die inzwischen gemeinfrei sind . Es wird von mir noch weitere Blogeinträge dazu geben, eine kleine Serie, welche ich mit der Überschrift Lesefutter kennzeichne.

Joseph Roth, 1939 im Exil in Paris verstorben, dieser durch und durch österreichische Dichter, der durch Geburt ein Europäer war, geboren in Brody, der heutigen Ukraine, der in seinen Büchern Judentum, K.u.K-Zeit, Legenden, Märchen und Nachkriegszeit so trefflich schildern und beschreiben konnte, ein Chronist des Zerfalls der Habsburgermonarchie, der wie viele andere an seiner Zeit und zu viel Alkohol zugrunde ging. Radetzkymarsch, Kapzinergruft, Hiob, Hotel Savoy, Spinnennetz, Die Legende vom heiligen Trinker, Leviathan, Tarabas, Flucht ohne Ende, Das Spinnennetz, Die Rebellion, Die Geschichte von der 1002. Nacht, Zipper und sein Vater, Der stumme Prophet, Rechts und Links, sind einige der Werke, die mancher vielleicht auch durch eine der vielen Verfilmungen kennt.

Franz Kafka, gestorben 1924. Die Verwandlung, Der Prozess, Der Verschollene (Amerika), In der Strafkolonie, Ein Hungerkünstler,  Brief an den Vater, Ein Bericht für eine Akademie oder gleich das gesammelte Werk seiner oftmals verstörenden Erzählungen, die ihn zur Ikone der Gegenwartsliteratur gemacht haben, obwohl oder gerade eben, weil er seine Texte verbrannt sehen wollte, was Max Brod, sein Freund, und wohl nicht zum Schaden seines eigenen Ruhms, verhinderte.

Ödön von Horvath, ein österreichisch-ungarischer Autor, am 1. Juni 1938 während eines Gewitters auf den Champs-Elysées von einem Ast erschlagen. Jugend ohne Gott, Ein Kind unserer Zeit, Der ewige Spießer, sozial- und gesellschaftskritische Romane, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Geschichten aus dem Wiener Wald, Kasimir und Karoline, Dramen, die ihn zum Klassiker der Moderne machten.

Friedrich Glauser, 1896 geboren in Wien, Sohn eines Schweizer Lehrers, Schweizer Schriftsteller, der bisher als Österreicher vereinnahmt wurde. Vielleicht wegen seines Lebenslaufs. Dadaist, Morphinist, Fremdenlegion, Suizidversuche, Konkubinat, Herzleiden, Entziehungsversuche, Schulden, entmündigt, Kohlengruben, Krankenwärter, Aufenthalt in psychiatrischen Kliniken, 1938, am Vorabend der Hochzeit mit 42 Jahren tot zusammengebrochen. Einer der Begründer des modernen Kriminalromans, der mit der Figur des Wachtmeister Studer die Figur des unkonventionellen Ermittlers prägte. Wachtmeister Studer, Matto regiert, Die Fieberkurve, Der Chinese, Krock & Co. Oder Gourrama, ein Roman aus der Fremdenlegion.

Published inGemeinfreiLiteraturUrheberrecht