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Von Kopien in Kindergärten & Musik beim Zahnarzt

Last updated on 1. Februar 2022

Die Auslegung des Urheberrechts führt zu sonderbaren Konstellationen. So gab es 2012 einen Rechteverwerter, der Abgaben für das Abspielen von Musik in einer Zahnarztpraxis forderte. Der Europäische Gerichtshof musste darüber entscheiden, ob eine Zahnarztpraxis als Öffentlichkeit zu betrachten und damit Zahlungen dafür zu entrichten sind.
Das Gericht entschied sich für Hintergrundmusik bei Zahnärzten, da durch sie nicht die Zahl der Patienten erweitert werde und sie nicht zu einer Erhöhung der Preise führe. Wie ist das bei anderen Geschäften? Ich möchte es mir gar nicht vorstellen.

Ein anderes obskures Beispiel. Belgische Bibliotheken sollten beispielsweise Urheberrechtsabgaben zahlen, wenn sie Vorlesestunden für Kinder veranstalten. Für das Vorlesen von Büchern in Lesezirkeln hätten sie jährlich 250 EUR zahlen müssen. Beklagen wir nicht, dass Kinder zwischen Tablets und YouTube keine Zeit mehr zum Lesen finden? Sollte ein Alternativprogramm nicht unterstützt und gefördert werden? Ist ein solches Vorgehen wirklich im Interesse jener Autoren, deren Bücher dort vorgestellt werden?

Ich bin dafür, dass Urheber für ihre Werke bezahlt werden, dass sie bei kommerziellen Verwertungen eine faire Entlohnung für ihre Arbeit und ihre Leistung erhalten. Ich bin nicht dafür, dass jede halbprivate Nutzung als Verletzung des Urheberrechts betrachtet und bestraft wird.

Nach bestehendem und angewendetem Urheberrecht hätte die Pop-Art eines Andy Warhol nicht entstehen können. Van Gogh soll sich an Arbeiten des japanischen Holzschnittmeister Hiroshige orientiert haben, Bach für seine Brandenburgische Konzerte auf den Violinkonzerten Vivaldis aufgebaut haben.

Verstörend finde ich jedenfalls Aktionen wie jene, bei denen 2010 die GEMA (deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanisches Vervielfältigungsrecht) von Kindergärten Lizenzgebühren für das Kopieren von Kinderliedtexten und Notenblättern verlangte. Ich glaube nicht, dass deswegen weniger Liederbücher verkauft werden, was wohl die Argumentation für das Vorgehen sein dürfte.

Also, passt in Zukunft genau darauf auf, welche Kopien eure Kinder nach Hause bringen, sonst werdet ihr deswegen noch verklagt.

Published inMusikUrheberrecht