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Das ist Diebstahl

Last updated on 1. Februar 2022

Der Produktlebenszyklus von Büchern nähert sich immer mehr dem anderer Branchen an. Der Zeitraum, in dem eine literarische Arbeit wirtschaftlich relevant verwertbar ist, schrumpft. Wenn gleichzeitig Autoren für eine Veröffentlichung immer noch die Nutzungsrechte am eigenen Werk auf unbegrenzte Zeit exklusiv hergeben müssen, so ist das Diebstahl.

Die Ich-AG des Kunstschaffenden ist darauf ausgerichtet, ein selbständiges Werk zu schaffen, vorwiegend den eigenen Ansprüchen und Zielrichtungen verpflichtet. Sein Ziel ist nicht die Erfüllung von Kundenbedürfnissen, wofür sonst Anstrengungen am Markt belohnt werden. Insofern ist der Wunsch des Künstlers, für seine Arbeit entlohnt zu werden, ein weitgehend unrealistischer Ansatz, der nur für eine Spitzengruppe erreichbar ist.

Trotzdem möchte jeder Künstler Lohn und Anerkennung für sein Werk finden. Stolz führen Autoren erhaltene Staatsstipendien in ihren Lebensläufen an, als wenn es eine künstlerische Auszeichnung wäre, literarische Mietzinsbeihilfe zu erhalten. In keinem gewöhnlichen CV würde eine solche Hilfeleistung angeführt, diese verschweigt man dort üblicherweise. Unbekannte Schriftsteller verhandeln mit Veranstaltern wegen Lesungshonoraren, obwohl Termine dieser Art meist unter dem Motto Bring your Friends and Family stehen. Wer wenig vernetzt oder nicht breitenwirksam bekannt ist, steht auf der untersten Stufe des Markts und darf sich hinsichtlich möglicher Einnahmen keine Illusionen machen.

Tut er es trotzdem, ist er dankbares Objekt für die Interessen derer, die von ihm profitieren, den Rechteverwertern, die ihm eine Karotte hinhalten, ihn instrumentalisieren, als Schutzschild vor ihre Kampagnen stellen, damit ihnen die Aufrechterhaltung exklusiver Nutzungsrechte für möglichst viele Jahrzehnte erhalten bleibt. Autoren, die nicht Krimis schreiben, müssen in vielen Fällen froh sein, in einem nennenswerten Verlag veröffentlichen zu können, ohne dafür bezahlen zu müssen. Es soll sogar sogenannte Qualitätsverlage geben, in denen selbst das nicht immer selbstverständlich ist. Die soziale Rangstufe, auf denen Schreibende stehen, ist davon abhängig, welchen Ruf und welche Größe die Verlage haben, in denen sie publizieren können.

So sind literarisch Schreibende mehrfach eingesperrt. Im Ghetto des nahen Bekanntenkreises, dessen Aufmerksamkeitradius sie verlassen müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. In den Regeln des Kunstbetriebs, der die Arrivierten schützt und nur bei genügend Hartnäckigkeit durchlässig ist. Von den Anforderungen des Markts, die Kunstschaffende nur unter außergewöhnlichen Konstellationen bedienen können.

So bleibt ihnen als Ausweg nur die Freiheit, aus innerem Antrieb heraus ihren selbstauferlegten Zwängen unbeirrt zu folgen. Darüber hinaus können sie sich dafür einsetzen, dass Künstler in Zukunft Nutzungsrechte nicht pauschal und unbegrenzt zur Verfügung stellen müssen, wenn sie einen kleinen Schritt auf der bescheidenen Verwertungspyramide machen wollen. Anstatt in der Urheberrechtsdebatte auf der eigenen Gegenseite zu stehen.

Published inAllgemeinLiteraturUrheberrecht